Schockanrufe und falsche Polizisten sind gängige und bekannte Betrugsmaschen von Finanzmissbrauch im Alter. Jedoch bilden sie nur die Spitze des Eisbergs. Peter Burri Follath wirft in seiner Kolumne ein Licht auf den riesigen Teil des Eisbergs, der sich unter der Oberfläche verbirgt.
Wenn Sie an einen Eisberg denken: Was fällt Ihnen ein? Die majestätische weisse Spitze über der Wasseroberfläche? Oder die viel grössere, unsichtbare Basis darunter? Bei der Betrachtung von Finanzmissbrauch in der Schweiz tritt diese Analogie erschreckend zu.
Die Spitze des Eisbergs, die wir alle sehen, sind die sogenannten «Schockanrufe» – eine hinterhältige Masche, bei der Betrügerinnen und Betrüger sich meist als Behörden- oder Familienmitglieder ausgeben: Sie versetzen Seniorinnen und Senioren in Angst und Schrecken, um sie so zur Übergabe ihrer Ersparnisse zu drängen. Diese Art des Betrugs ist in den Medien und in der öffentlichen Wahrnehmung stark präsent.
Doch was sich unter der Wasseroberfläche abspielt, ist viel beunruhigender: Die verborgenen Betrügereien durch nahestehende Personen wie Familienmitglieder, der eigene Freundeskreis oder Fachkräfte, die ihre berufliche Position ausnutzen. Besonders verwerflich an diesen Betrugsfällen: Vertrauensverhältnisse werden schamlos ausgenutzt – der Sohn, der bei der Erledigung der Finanzen seiner Grossmutter regelmässig Geld abzwackt oder eine Betreuerin, welche die Konten ihrer Schützlinge leerräumt oder ein Finanzberater, der sich auf Kosten eines älteren Klienten bereichert: Diese Szenarien sind real und sorgen für eine ungeheuerliche Schadenssumme.
Doch weshalb bleibt dieser Teil des Eisbergs oft unentdeckt? Hauptgrund dafür ist wohl das Schamgefühl sich einzugestehen, Opfer einer geliebten oder vertrauten Person zu sein. Es liegt in unserer Verantwortung als Gesellschaft, diese blinden Flecken der Betrügerei aufzudecken. Wir müssen aufmerksam sein, wenn es um Vertrauensverhältnisse und Geld geht. Es ist essenziell, dass wir Veränderungen im Verhalten und unerklärliche finanzielle Transaktionen bei unseren Angehörigen und Bekannten bemerken und ansprechen.
Schauen Sie nicht nur auf die Spitze des Eisbergs. Helfen Sie mit, den versteckten Finanzmissbrauch in der Schweiz ans Licht der Oberfläche zu zerren. Das beginnt mit Aufmerksamkeit und einem offenen Dialog.